Denkanstöße 2016: Ein Lesebuch aus Philosophie, Kunst und Wissenschaft by Isabella Nelte

Denkanstöße 2016: Ein Lesebuch aus Philosophie, Kunst und Wissenschaft by Isabella Nelte

Autor:Isabella Nelte [Nelte, Isabella]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Allgemein, Sozialwissenschaft, Populäre Belletristik, Fachbücher, Belletristik, Philosophie, Kurzgeschichten & Anthologien, Anthologien, Wunschliste
ISBN: 9783492970143
Google: WQj2CQAAQBAJ
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2015-08-22T16:00:00+00:00


Geschönte Studien: Firmen verheimlichen Daten und gefährden so Patienten

Der Fall Avandia zeigt aber noch etwas anderes. Viele Arzneimittelhersteller wissen sehr wohl und in der Regel, Jahre bevor die Öffentlichkeit davon erfährt, wenn eines ihrer Produkte Probleme macht. Doch selbst, wenn es sich dabei um tödliche Risiken handelt, halten sie ihre Erkenntnisse oft zurück. Denn je länger die Daten unter Verschluss sind, desto länger bleibt das Mittel auf dem Markt – und umso länger kann man daran verdienen. Selbst wenn es auf Kosten der Gesundheit oder gar des Lebens von Hunderten, Tausenden oder noch mehr Patienten geht.

Allein Avandia hat nach Schätzungen von Experten der US-Arzneimittelbehörde FDA bei Zehntausenden Diabetikern einen Herzinfarkt hervorgerufen.41 Und viele davon hätten vermutlich verhindert werden können, denn GlaxoSmith-Kline (GSK) kannte die Risiken von Avandia bereits 1999. Sie wurden jedoch bewusst verheimlicht, wie Reporter der New York Times 2010 herausfanden.42 Die Pharmafirma hatte im Herbst 1999 eine geheime Studie durchgeführt, die klären sollte, ob Avandia sicherer für das Herz war als ein Produkt der Konkurrenz, das Präparat Actos von Takeda. Für GlaxoSmithKline hing viel von Avandia ab, da der Arzneimittelhersteller zu dieser Zeit kein anderes neues Produkt in Vorbereitung hatte, das ähnlich hohe Umsätze versprach.

Doch die Ergebnisse der geheimen Studie waren katastrophal. Avandia war nicht nur kein bisschen besser als Actos, sondern es gab auch klare Hinweise, dass das GSK-Präparat höhere Risiken für das Herz barg als das von Takeda. Doch statt die neuen Erkenntnisse zu veröffentlichen – Pharmaunternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Arzneimittelbehörden über neu aufgetauchte Sicherheitsrisiken zu informieren –, hielt GlaxoSmithKline die fatale Studie gezielt unter Verschluss. Das belegen interne Dokumente, aus denen die New York Times zitierte. In einer E-Mail vom März 2001 schreibt zum Beispiel Martin Freed, ein leitender Mitarbeiter der Pharmafirma, über die Ergebnisse der geheimen Studie, dass auf Bitten der Geschäftsführung diese Daten das Tageslicht außerhalb von GSK nicht sehen sollten. In einem anderen Dokument, das der US-Zeitung vorliegt, warnte ein Mitarbeiter des Konzerns, dass man mit Einbußen von 600 Millionen Dollar allein in den Jahren 2002 bis 2004 rechnen müsse, wenn das Herzrisiko bekannt würde. Das Unternehmen selbst bestritt die in der New York Times gemachten Vorwürfe. In einer Pressemitteilung teilte der Konzern mit, die wissenschaftlichen Daten würden keineswegs zeigen, dass Avandia das Herzinfarktrisiko erhöhe oder Herzinfarkte verursache.43

Der Trick, gezielt und selektiv unliebsame Ergebnisse aus klinischen Studien zu verheimlichen, ist ziemlich effektiv. Immerhin gelang es GSK damit, die Risiken des Antidiabetesbestsellers elf Jahre lang herunterzuspielen und das Mittel im Markt zu halten. Aus diesem Grund ist die Methode in der Pharmabranche auch weit verbreitet. Sie ist für Pharmamanager persönlich relativ ungefährlich, denn Wissenschaftsbetrug ist bei uns nach dem Gesetz kein Straftatbestand und wird nicht verfolgt. Deshalb wird rund die Hälfte aller Medikamentenstudien nie veröffentlicht.44 Das belegt unter anderem eine Untersuchung des Gesundheitsexperten Joseph Ross von der Yale University in New Haven. Von 677 Studien, die in einem offiziellen Register bis Ende 2005 als abgeschlossen registriert wurden, waren bis Ende 2007 nur 311 veröffentlicht.45 Das heißt, die Fachwelt erfuhr nur von 46 Prozent der Studien, welche Ergebnisse sie erbracht hatten.



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